Schätzungen zufolge verschwinden jeden Tag 150 Tier- und Pflanzenarten von der Erde. Mit gravierenden Folgen für Mensch und Planet, denn der Artenverlust führt zu instabilen Ökosystemen. „Damit können für unser Überleben essenzielle Funktionen entfallen – wie die Regulation von Klima- und Wasserhaushalt oder die Grundlage unserer Ernährung“, erläutert Dr. Christof Schenck, Träger des Deutschen Umweltpreises 2022 der DBU. Darum hofft der Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF) wie viele andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, darunter weitere Umweltpreis-Ausgezeichnete, auf die 15. Vertragsstaatenkonferenz des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD COP15). Sie findet vom 7. bis 19. Dezember 2022 in Montreal statt. Bei dieser Weltnaturschutzkonferenz beraten und beschließen 196 Staaten, was die Menschheit tun muss, um die biologische Vielfalt zu erhalten.
„Der Weltnaturgipfel in Montreal entscheidet über das Schicksal der Biodiversität.“
DBU-Umweltpreisträgerin 2021
Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese
Prof. Dr. Marianne Darbi von der Hochschule Geisenheim University und Mitglied im DBU-Projekt „Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung (NeFo)“ beschreibt, worum es bei der Konferenz geht: „Jetzt werden neue globale Ziele verhandelt, unter anderem für mehr Schutzgebiete an Land und im Meer, den Abbau naturschädigender Subventionen und eine naturverträgliche Land- und Forstwirtschaft. 22 Ziele liegen jetzt schon im Entwurf vor, tatsächlich wird nun aber um jedes Wort gerungen.“ Bei diesem Ringen ist auch die Politik gefordert.
„Wir Wissenschaftler fordern, dass 30 Prozent der Land- und der Meerflächen bis 2030 unter Schutz gestellt werden. Denn die Natur ist die Basis von allem und nicht verhandelbar. Wir können jetzt die richtigen Entscheidungen treffen!“
DBU-Umweltpreisträger 2022
Dr. Christof Schenk
Über die Herausforderungen der Naturschutzkonferenz diskutierten Darbi und Schenck sowie weitere Biodiversitätsexpertinnen und -experten im Vorfeld der COP15 beim DBU-Online-Salon "Bedrohte Artenvielfalt – Quo vadis Weltnaturgipfel?" mit Bundesumweltministerin Steffi Lemke. Sie benannte drei Kriterien als ausschlaggebend für die Weltnaturschutzkonferenz: „Wir brauchen messbare Ziele, wir brauchen wirksame Umsetzungs- und Kontrollmechanismen und wir brauchen drittens auch die entsprechenden Finanzen.“ Derartige messbare Größen könnten eine Reduzierung des Nährstoffeintrags, beispielsweise von Nitrat und Phosphat, in die Ökosysteme sein, der Pestizideinsatz in der Landwirtschaft oder das Ende der Plastikverschmutzung. Die Ministerin betonte, dass die verschiedenen Herausforderungen unserer Zeit – Klimakrise, Biodiversitätskrise und Verschmutzungskrise – untrennbar miteinander verknüpft seien und gemeinsam angegangen werden müssen, „weil wir gar nicht genug Zeit und Ressourcen haben, um das hintereinander abzuarbeiten“, so Lemke, die in Montreal mitverhandelt.
„Schutzgebiete dürfen keine „einsamen Inseln“ bleiben. Die Verschmutzung und Zerstörung unserer Natur muss flächendeckend beendet werden. Deshalb muss die globale Vereinbarung auch Ziele setzen für mehr Ressourceneffizienz, für mehr Kreislaufwirtschaft.“
Bundesumweltministerin Steffi Lemke
Umweltpreisträger Schenck verwies auf ein weiteres Risiko des Biodiversitätsverlustes: „Inzwischen weiß man auch, dass die Artenreduktion an den Rändern der tropischen Regenwälder ein wichtiger Faktor für die Entstehung von Pandemien ist.“ In dem Einfluss des Menschen auf die Ökosysteme sieht er gleichzeitig eine Chance: „Die globale Dreifachkrise – vom Artensterben über Klimawandel bis hin zu Pandemien – ist menschengemacht. Das bedeutet aber auch, dass wir Menschen es in der Hand haben, diese Krisen abzuschwächen oder gar abzuwenden.“ Wichtig ist ihm dabei die Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort.
Auch DBU-Generalsekretär Alexander Bonde machte im Hinblick auf den Weltnaturgipfel Mut: „Das ist die historische Chance für den Schutz von Artenvielfalt und Lebensräumen. Auch für die Biodiversität braucht es endlich international verabredete Ziele und konkrete Schutzmechanismen.“ Die Politik könne in Kanada Rechtsrahmen und Regulierungen vorgeben. „Umgesetzt werden müssen sie jedoch weltweit und vor Ort“, sagte Bonde. So sei die DBU beispielsweise auf ihren DBU-Naturerbeflächen selber aktiv für Naturschutz und Artenvielfalt und wolle auch in ihrer Projektförderung vorangehen, so Bonde.
Zwei DBU-Projekte zum Thema Biodiversität stellen wir hier vor: Pestizide in Schutzgebieten und Eckernförder Bucht 2030.
Vor dem Weltnaturgipfel in Montreal forderten Wissenschafts- und Nichtregierungsorganisationen in der sogenannten Frankfurter Erklärung den Schulterschluss von Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, um das Wirtschaften gegen die Natur zu beenden. Mitunterzeichnende sind mehrere Trägerinnen und Träger des Deutschen Umweltpreises der DBU. Mehr dazu unter:
https://www.dbu.de/umweltpreis-blog/umweltpreis-ausgezeichnete-unterstuetzen-frankfurter-erklaerung/
Zur Aufzeichnung des DBU-Online-Salons „Quo vadis Weltnaturgipfel“:
https://www.dbu.de/@YoutubeWeltnaturgipfel